Erhalt der Altenburg ungewiss – „Refugium Liszt“ will Denkanstoß geben
Nike Wagner ist Schirmherrin für kleines Privatmuseum in den ehemaligen Wohnräumen ihres Ururgroßvaters. Die Installation soll Dialog um die Zukunft des Kulturdenkmals anregen.
Rund 175 Jahre nach dem Einzug Franz Liszts in die Altenburg in der heutigen Jenaer Straße 3 in Weimar und etwa 30 Jahre nach der umfangreichen Sanierung zeigt das Gebäude sichtbare Risse und droht eines Tages auseinanderzubrechen. Deshalb möchte die Weimarer Wohnstätte GmbH als Eigentümer die Aufmerksamkeit auf den Zustand des Gebäudes selbst und seine kulturhistorische Bedeutung lenken und hat dafür in Kooperation mit der Deutschen Liszt-Gesellschaft ein kleines Privatmuseum geschaffen. Das „Refugium Liszt“ wurde heute eingeweiht.
Im „Blauen Zimmer“ den Genius Loci spüren
In den Nebenräumen der Altenburg, genauer gesagt im „Blauen Zimmer“, schuf Franz Liszt zwischen 1848 und 1861 fast sein gesamtes kompositorisches Werk, erlebte dort den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens. In die ihm zugedachten Räume im Seitengebäude der Altenburg zog er auf Einladung der Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein am Ende seiner Karriere als virtuoser Konzertpianist, nachdem er seine Europatournee beendet hatte. Die Fürstin und er waren in „wilder Ehe“ verbunden. Sie ging der Handarbeit nach während er am Flügel komponierte. Im Raum nebenan, einer kleinen Hauskapelle, trafen sie sich zum Gebet. Beide waren streng katholisch. Ein drittes Zimmer, früher ein Wirtschaftsraum, dient ab sofort als kleine Bibliothek und beherbergt die Sammlung des Ehepaares Helga und Dieter Muck (Augsburg-Stadtbergen), welche vor einigen Jahren an die Deutsche Liszt-Gesellschaft übergeben wurde. Nun wird dieses schöpferische Zentrum der Altenburg für Besucher zugänglich und erlebbar sein. „Wir freuen uns sehr, dass wir Nike Wagner als Schirmherrin für unser kleines Projekt gewinnen konnten. Sie hat nicht nur eine enge Verbindung zu Franz Liszt, sondern auch zu Weimar und kann unser Anliegen sehr gut nach außen tragen“, zeigt sich Prof. Dr. Wolfram Huschke stellvertretend für die Deutsche Liszt-Gesellschaft optimistisch. „Wir möchten erreichen, dass dieser Ort eine gewisse ‚Unantastbarkeit‘ erfährt, unabhängig vom Eigentümer und der Nutzung des Hauses“, fügt er hinzu.
Von Juni bis Oktober möchte der Verein immer am letzten Freitag des Monats von 14-16 Uhr das „Refugium Liszt“ für Besucher öffnen. Die Voranmeldung für alle Termine ist immer bis zum 20. des Monats per E-Mail möglich. Die Teilnehmerzahl pro Termin ist auf 10 Personen begrenzt. Auch zum Tag des offenen Denkmals, der am 14. September 2025 stattfindet, wird es die Gelegenheit geben, das Privatmuseum zu besuchen.
Museum zeigt schon bei Eröffnung Risse
Doch wieso ist ein solches Kulturdenkmal überhaupt im Eigentum einer kommunalen Wohnungsgesellschaft und weshalb zeigt das „Refugium Liszt“ bei seiner Eröffnung schon Risse? Der Geschäftsführer der Weimarer Wohnstätte GmbH, Udo Carstens, erklärt: „Dies hängt mit der wechselvollen Nutzungsgeschichte des Hauses zusammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Altenburg mehr und mehr, wenn auch kleinteilig, für Wohnzwecke genutzt. Mit dem Einigungsvertrag 1990 sind alle Gebäude mit mehr als 50 % Wohnraumnutzung in das Eigentum der Kommunen übergegangen. Deshalb gehört das Gebäude seit 1992 zu unserem Immobilienbestand.“ Zwischen 1995 und 1997 wurde das Haus umfangreich nach historischen Vorgaben saniert. Seitdem wird die Altenburg in weiten Teilen von der Hochschule für Musik Franz Liszt genutzt. Bereits fünf Jahre später, also 2002, zeigten sich die ersten Rissbildungen, die sich in den folgenden Jahren immer weiter, auch in das Innere, ausbreiteten. Die beauftragte Untersuchung ergab, dass aufgrund unzureichender Gründung und ungünstiger Baugrundverhältnisse Gebäudesetzungen auftreten. Die empfohlene Unterfangung wurde 2009 ausgeführt und der Zustand von 1997 wiederhergestellt. Leider führte die Maßnahme nicht zu dauerhaftem Erfolg. 2012 traten erneut Rissbildungen auf, diesmal verschlechterte sich der Zustand schneller und drastischer. Zur Ursachenforschung werden seitdem die Veränderungen am Gebäude an mehreren Stellen elektronisch überwacht und halbjährlich gemessen. Die Hebungen und Setzungen an unterschiedlichen Stellen belasten den statischen Zustand des tragenden Mauerwerks zusehends. 2015 wurden die Baugrunduntersuchungen ausgeweitet. Die Empfehlung lautete, eine vollständige Gründungsstabilisierung durch Mikrobohrpfähle vorzunehmen, was damals Kosten in Höhe von 1,4 Mio. EUR bedeutet hätte. „Diese Investition war für uns wirtschaftlich nicht darstellbar. Wir haben uns an vielen, auch prominenten Stellen, auf Landes- und auch auf Bundesebene, um Fördermittel zur Erhaltung des Kulturdenkmals bemüht. Leider vergeblich.“, erläutert Udo Carstens. Es wurde nach alternativen Lösungsmöglichkeiten gesucht. Eine weitere Maßnahme mit Manschettenrohrverfahren wurde 2018 abgebrochen, weil die erhoffte Wirkung buchstäblich in tieferliegende Schichten abfloss. Daraufhin wurden aus Sicherheitsgründen öffentliche Veranstaltungen und Konzerte in der Altenburg untersagt. Mehrere Gutachten kamen zu demselben Ergebnis, dass nur die aufwändige und kostenintensive Bohrpfahlgründung den Erhalt des Gebäudes langfristig sichern kann. Aufgrund der Preissteigerungen in den letzten Jahren würden sich die Gesamtkosten inzwischen auf mehr als 3 Mio. EUR belaufen. Udo Carstens resümiert: „Bislang haben wir 1,6 Mio. EUR in das Haus investiert. Es muss zu einer Entscheidung kommen, was mit dem Gebäude passieren soll. Als wohnungswirtschaftliches Unternehmen müssen wir unsere Prioritäten setzen und für die Sanierung und die Unterhaltung von Wohnraum, Schulen, Sporthallen und Sozialimmobilien sorgen. Ich persönlich würde eine Übertragung an das Land Thüringen für sinnvoll halten. Dann wäre auch die Nutzung durch die Hochschule für Musik und das Andenken an Franz Liszts Wirken in der Altenburg gesichert.“ Zusätzlich bringt er noch zwei weitere Optionen ins Spiel: eine bundesweite Ausschreibung zum Verkauf und den Antrag zur Erteilung einer Abrissgenehmigung. Zu letzterer wird es hoffentlich nicht kommen müssen.
Hintergrundinformationen zur Altenburg
1811 ließ sich der Oberstallmeister am herzoglichen Hof Friedrich von Seebach an den Berghang oberhalb der Ilm eine weithin völlig alleinstehende Stadtvilla errichten und lebte hier bis zu seinem Tod im Mai 1847. Seine Erben verkauften das Haus an Großherzogin Maria Pawlowna, die es 1848 der Fürstin Carolyne von Sayn-Wittgenstein als Wohnsitz für deren Weimarer Aufenthalt zur Verfügung stellte. In den großen repräsentativen Räumen des Haupthauses entfaltete die Fürstin das schwärmerische Fluidum eines aristokratischen Salons mit vielen namhaften Gästen aus vielen Ländern Europas. Hier kam Liszt auch mit seinem „handverlesenen“ Schülerkreis musizierend und debattierend zusammen. Für das kulturelle Europa nahm das Haus bald den Rang ein, den Jahrzehnte zuvor Goethes Haus am Frauenplan gehabt hatte.
Die Altenburg ist ein seltenes Beispiel besonderen Bautyps im klassizistischen Stil mit symmetrischer Fassade, einer großzügigen Auffahrt und einem gärtnerischen Umfeld. Damals war es ein vor der Stadt gelegener, herrschaftlicher Landsitz. Heute ist es ein Denkmal von nationalem Rang aufgrund seiner historischen Bedeutung und der umfassenden Erhaltung der bauzeitlichen Erscheinung, Substanz und Ausstattung des Haupthauses inkl. der Nebengebäude.